Weniger ist Meer / Februar

Allgemein

Die Fahrt zum Meer, riesige Vorfreude. Manchmal beschleicht mich dann schon weit vor Ankunft ein Gefühl, als könnte ich die salzige Luft bereits erahnen.

Auf dem Weg von der Straße durch den menschenleeren Ort hin zu der Stelle, an der über eine hölzerne Seebrücke direkter Zugang zum Meer angekündigt war, steht schon ein riesiger Berg aus Holz, Reisig und anderen brennbaren Materialien, aufgehäuft und angeordnet für das Biikebrennen, das just an diesem Abend stattfinden soll.

Der kleine matschige Pfad entlang bis zur ersten glitschigen Holzplanke der Seebrücke ist gesäumt von Gräsern und Halmen. Pure Weite im Blick und Ruhe in Herz und Ohren.

Moment mal, Ruhe? Wo ist das Rauschen der Wellen und wo ist überhaupt das Wasser und die steife Brise? Wo ist mein Meer?

Tja, weg. Es ist Ebbe.

Ebbe und Flut, klar. Schon von gehört und schon etliche Male erlebt und überhaupt und sowieso total logisch, dass man eben an der Nordsee aufgrund der Gezeiten mal mehr und mal weniger Wasser hat.

Als moderner Stadtmensch trotzdem irgendwie verdrängt und im hintersten Stübchen des Kopfes wohl gehofft, dass schon ein bisschen Wasser da sein werde. Ist es nicht.

Nach der ersten Enttäuschung kurz berappeln und tief durchatmen. In Ordnung, keine Welle in Sicht, aber wie war das nochmal mit Achtsamkeit und Erleben des Augenblicks? Ich atme tief ein und aus, schließe die Augen und stelle fest, es riecht nach Meer. Herrlich. So, nun einfach Schritt für Schritt die tolle schlichte hölzerne Seebrücke entdecken. Mit jedem Schritt gewinnt die Weite noch mehr an Raum und es scheint, als würde man regelrecht in die Stille hineingehen.

Vereinzelt kommen Sonnenstrahlen durch den wolkenverhangenen Nachmittagshimmel und bringen das Watt zum Glitzern und Glänzen. Vorne am breiter werdenden Ende der Seebrücke angekommen bin ich völlig überwältigt. Wenn es das Wort gäbe, dann würde ich sogar sagen ich bin „unterwältigt“: Hier in diesem Moment ist gerade nichts, und gleichzeitig alles. Je mehr ich den Blick schweifen lasse und mich ganz in diese Stille gebe, desto mehr keimt so ein kleines Gefühl auf. Ein Gefühl, das im normalen Alltag nicht oft seinen Platz findet. Ein Gefühl, dessen Bezeichnung ein wenig altmodisch ist und das einen ein wenig stutzig und gleichzeitig schonungslos wach macht: Demut!


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