Dicke Dinger
Allgemein
Das Entrümpeln für ein minimalistisches Leben ist ja so eine Sache für sich: Mal fällt es einem leicht, mal fällt es einem schwer. Das kann von der Tagesform abhängen, aber vor allem auch davon, wie sentimental der Gegenstand, um den es geht, behaftet ist. In der gängigen Entrümpelungsliteratur wird meist empfohlen, sich folgende Fragen zu stellen:
1. Ist der Gegenstand nützlich?
2. Ist der Gegenstand schön/bringt er Freude?
Optimal wäre natürlich, wenn man für jeden Gegenstand im Haushalt beide dieser Fragen mit JA beantworten könnte. Aber seien wir mal ehrlich: In den seltensten Fällen hüpfen wir vor Freude durch die Wohnung, weil wir uns so sehr über das Aussehen von Toilettenpapier und Staubsauger freuen. Und ebenso muss ich gestehen, dass die hölzernen Buchstaben „LOVE“ auf meiner Fensterbank keinen wirklichen Nutzen haben; aber sie sind schön und machen sich im Gesamteindruck des Raumes wirklich gut und bringen mir also Freude.
Was aber tun mit all den Dingen, die weder nützlich sind noch Freude bringen?
Klar, alte zerlöcherte T-Shirts kann man entsorgen oder als Putzlappen nutzen, alte Bücher, die man definitiv nicht noch einmal lesen möchte, kann man verschenken, spenden oder verkaufen.
Was aber soll man tun mit den Dingen, die einem mal nützlich waren, irgendwie auch schön sind aber eben nicht mehr wirklich genutzt werden? Vor allem, wenn dann auch noch eine gewisse Sentimentalität ins Spiel kommt…
So ging es mir mit meinem geliebten alten Schreibtisch: Vollholz, ein wenig ramponiert aber mit richtig viel Charakter. Vor mir hat er schon einigen anderen Menschen im beruflichen und im privaten Umfeld treu gedient. Er hat sogar auf der Rückseite ein ausziehbares Tischchen, an dem eine Sekretärin bei Bedarf ihre Notizen mitschreiben konnte. Das gute Stück stammt also aus einer anderen Ära.
Und nun war also die Zeit gekommen, an dem ich selber nicht mehr an diesem Schreibtisch saß und und nach dem Umzug in meine neu gewählte Heimat schlichtweg auch kein Platz mehr für ihn da sein würde. Macht es Sinn, ihn irgendwie zwischenzulagern? Nach etlichen inneren Kämpfen habe ich mich entschieden, den Schreibtisch an eine gemeinnützige Organisation zu spenden. Er wurde abgeholt und mir hat das Herz geblutet. Aber gleichzeitig freue ich mich darüber, dass er nun ein anderes Zuhause findet und nicht irgendwo in einer dunklen Keller- oder Lagerfläche verstaubt.
Dinge loszulassen, mit denen man viele Erinnerungen und Emotionen verbindet, ist richtig schwierig. Aber auch hier lohnt es sich, den Loslassmuskel zu trainieren. Ich habe meine Entscheidung bisher nicht bereut, im Gegenteil: Wenn ich an meinen alten Schreibtisch und die mit ihm verbundenen Zeiten denke, werde ich zwar ein bisschen wehmütig, aber im positiven Sinne. Mit ihm habe ich mich auch von einer gewissen Verantwortung und vor allem von einem ziemlich dicken und sperrigen Ding getrennt. Und ich weiß, dass seine Aufarbeitung Arbeit schafft für Menschen, die sonst auf dem Arbeitsmarkt oft keine Chance mehr bekommen.
Und damit wären wir auch schon direkt beim anschließenden Thema: Warum soziales Engagement Teil eines minimalistischen Lebens sein sollte. Aber dazu dann mehr bei der Rezension des aktuellen Buchs von „The Minimalists“.
Für den Moment aber eine kleine innere Verbeugung vor meinem alten Arbeitsgefährten. Es war mir eine Ehre!